Direkt zum Hauptbereich

Zeitzünder und Geschenkpapier

Mit wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts vergleichen? Sie sind den Kindern gleich, die auf dem Markt sitzen und rufen einander zu: Wir haben euch aufgespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht geweint. Lukas 7, 31f

Der zweite Weltkrieg dauerte fast 5 Jahre.
Ältere Menschen erzählen von dieser Zeit.
Vom Aktivdienst, von der Rationierung, von der Verdunkelung, von den Bomben, die auf der falschen Seite der Grenze niedergingen, von den Kartoffeln auf der Schützenmatte.
Ich denke dann, alles war anders. Die Wolke Krieg schob sich über das ganze Leben.

Doch dann erzählen sie weiter.
Kinder spielten in den Strassen Himmel und Hölle. Arbeiter gingen arbeiten. Das Trämli quietschte den Klosterberg runter und keuchte den Kohlenberg hoch. Schüler vom Kirschgarten verknallten sich in Schülerinnen vom Leonhard. Und umgekehrt. Theater, Kino und Konzertsaal sogen Schwärme von Menschen ein und spuckten sie zwei Stunden später wieder aus. Paare liebten sich und hassten sich. Chöre sangen und Turnvereine turnten. Im Spital wurde geboren, auf dem Hörnli bestattet. Im Restaurant gab es Läberli.
Schwer vorstellbar. Aber wahr.

Wie träumten die Menschen damals? frage ich mich. Dominierte der Krieg auch die Gespenster der Nacht? Oder kräuselte er – solange er niemand aus Familie und Freundeskreis direkt traf – nur die Ränder?

Und was haben meine Vorgänger (m) wohl damals gepredigt? frage ich mich dann. Rund 250 Gottesdienste fielen in diese Zeit! Waren es unzählige Kriegs- oder Friedenspredigten?
Oder lief der Krieg mit der Zeit einfach mit, eine Anspielung bei der Begrüssung, ein Satz in den Fürbitten?

Die Pandemie bestimmt nun seit einem guten Jahr unseren Alltag. Und dominiert den Medienalltag. ,Vielleicht ist das ähnlich wie im Krieg,' hörte ich schon sagen. Ich dachte an das zerstörte Aleppo und die Massaker im Südsudan und dachte ,Nein’. Menschengewalt ist was anderes als Virengefahr. Nicht nur quantitativ.

Doch mag die Stimmung in der verschonten Schweiz damals in manchem ähnlich gewesen sein. Das Gefühl der Ungewissheit und des Ausgeliefertseins. Man tut alles (Grenzen sichern, Verdunkeln, Anbauschlacht) und weiss dennoch nicht, ob man dadurch verschont wird. Eine fremde Übermacht spielt ausser Reichweite Schicksal. Man geht zur Arbeit, in die Schule, Einkaufen und ins Bett – und irgendwie ist jeder Tag mit Zeitzünder versehen. Oder in Geschenkpapier gewickelt. Das Selbstverständliche hat die Selbstverständlichkeit verloren. Und man weiss nicht, wie lange noch.

In manchen meiner Träume kommt Corona vor. In manchen meiner Gottesdienste auch.
Man kann den Elefanten im Raum nicht ausblenden. Aber man muss ihm auch nicht ständig tiefe in die Auigen schauen und  noch Küche und Bad dazu geben.
Die eindringlichsten Predigten jedoch hält die Pandemie, wenn ich mich mit Menschen anderer Zeiten und anderer Ländern vergleiche.
Ich spüre, dass mein Leben heute ein Wunder ist.

philipp.roth@erk-bs.ch
Kirchgemeinde Kleinbasel

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Familie in Zeiten der Quarantäne (Gastbeitrag Sabine Mäurer)

Sabine Mäurer sitzt gerade an ihrer Masterarbeit in Theologie über eine Jesusgeschichte, die auch die Familie thematisiert. Sabine Mäurer ist Mitglied unserer Kirchgemeinde. E r zeigte mit seiner Hand auf seine Jünger und sagte: Das sind meine Mutter und meine Brüder (und meine Schwestern). Matthäus 12, 49 Was mich in diesen Tagen beschäftigt? Schon vier Wochen bevor der Bundesrat die "ausserordentliche Lage" verordnet hat, befinde ich mich in einer "persönlich ausserordentlichen Lage": Ich nenne sie meine "Schreibtisch-Quarantäne". Meine Abschlussarbeit ist der Grund dafür: Ein kleiner Passus im Matthäusevangelium (Mt 12,46-50) mit der Überschrift " Jesu wahre Familie" beschäftigt mich. Ehrlich gesagt, beisse ich mir ein wenig die Zähne daran aus. Aber Stopp: In der Quarantäne – nicht jammern, positiv nach vorne schauen. Das lässt der Astronaut Alexander Gerst in den social media verlauten. Er sollte Bescheid wissen, hat er doch All-Ein

Schneeengel

Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott...   Lukas 2, 13 Was tun Engel, wenn sie lautlos die ganze Welt verwandeln? Als ich erwache, ist alles in tiefem Weiss. Es dauert eine Weile, bis die Menschen aus ihren Häusern kriechen und sich mit Fräsen und Schaufeln die Welt zurückerobern. Vorher war sie schöner. Und stiller. Was tun Engel, wenn sie lautvoll die Welt verwandeln? Nun ist Singen also auch draussen verboten. Die Engel sollten Skifahren gehen. Jedenfalls in der Schweiz. Es leuchtet mir ein, dass man jetzt nicht gerade Kurrendesingen, Glühweinschunkeln und Silvesterchlauszäuerlen soll. Aber was haben Tannen und Eichhörnchen gegen meinen Sologesang, wenn sie sogar die Hunde in der Langen Erlen tolerieren? Ich stell mir kurz die Himmlischen Heerscharen mit Mundschutz vor. Und was sie singen würden, haben sie auf Spruchbänder geschrieben. Ich werde rausgehen und einen Engel in den Schnee machen. Vielleicht auch einen zweiten oder ganze

man of the year

Und er gab ihm den Namen Jesus. Matthäus 1, 25 kürzlich in der champions league meinen mann des jahres getroffen er spielt beim fc porto im rechten mittelfeld gegen die alte dame gewann er zwei zu eins sein name jesus corona um nicht an die bekannte mexikanische biermarke zu erinnern wird er tecetito genannt nach einer anderen mexikanischen biermarke aber biermarke ist bei corona eh nicht mehr zuvorderst auf dem transfermarkt wird er mit dreissig millionen euro gehandelt jesus ist schnell und beidfüssig oft spielt er den entscheidenden pass nun hoffe ich dass porto weiterkommt und gegen psg spielt oder gegen mancity jesus corona gegen angel di maria oder gabriel jesus verkündigungs szene auf grünem rasen möglich dass corona dann  verliert philipp.roth@erk-bs.ch Kirchgemeinde Kleinbasel