Danach bestimmte der Herr weitere zweiundsiebzig von seinen Jüngern.
Er sandte sie vor sich her – jeweils zu zweit – in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Lukas 10, 1
Die Decke senkt sich. Nach 50 werden es ab Montag also auch in Basel für drei Wochen nur noch 15 Personen sein, die sich zu Veranstaltungen treffen können. Ich stelle mir diese 15 in der grossen Halle der Theodorskirche vor. Mehr Abstand nehmen können wir schon jetzt nicht mehr. Was soll also eine weitere Einschränkung bringen? Selbst in der kleineren Dorfkirche in Kleinhüningen, bis jetzt noch ,unter dem Radar', werden wir uns beschränken müssen. Widerstandsgeister regen sich. Sie wirbeln in mir Staub auf und flattern mit dicken Hälsen in mein Mailfach. Jetzt müssen wir uns wehren!
Gestern erfüllte ich mir einen langehegten Traum. Ich erwarb mir eine Posaune. Es sei die zweite Posaune, die er seit März verkaufe, sagte mir der Geschäftsinhaber. Die Kultur liegt am Boden. Konzerte, die als Loop mit 2x/3x 50 Personen geplant wurden, fallen nun auch weg.
Es denkt. Der Unterschied zwischen 50 und 15 ist in erster Linie quantitativ. Klar werden sich 15 noch weniger als Gemeinde anfühlen als 50. Aber auch bei 50 war es schon nicht mehr möglich, offene Gemeinde zu sein und zu rufen ,kommet her, alle, die ihr...'. Man hoffte auf Besuch und gleichzeitig auf nicht zu viel. Viele kleinere Gemeinschaften hatten das Glück, bei eine 50-er Grenze noch mehr oder weniger wie vorher funktionieren zu können. Grössere mussten sich schon vorher neu organisieren. (Und in anderen Kantonen gilt schon länger die 15 Personen-Regel.)
Es erstaunt mich nicht wirklich, dass der Ruf nach Solidarität erst dann erschallt, wenn man selbst betroffen ist. Doch stelle ich mir Solidarität in einem idealen Sinn schon etwas anders vor. Als Kirchen in der Stadt bewegen wir uns im Freizeit- und Kulturbereich. Können sich die Landeskirche wenigstens formal noch auf einen anderen Status berufen ( - und deshalb ihre Einnahmen anders generieren), können es Freikirchen nicht. In der öffentlichen Wahrnehmung sitzen wir jedoch alle im gleichen Boot. Und tun das mit den Kulturbetrieben, Sportvereinen, Fasnachtscliquen usw. Der Ruf nach Religionsfreiheit hilft hier nur bedingt. Eingeschränkt ist ja nur die Versammlungsfreiheit, nicht die Religionsausübung.
Ich bin froh, dass unser Streaming schon steht und nun noch wichtiger werden wird. Christliche Gemeinde war schon immer mehr als eine Hausversammlung oder ein Grossfamilientreffen. Im wesentlichen ist sie eine geistliche Grösse. Das heisst nicht, dass sie ätherisch, sondern dass sie himmlisch ist. Ihre Grösse erhält sie durch den ,grossen Gott, wir loben dich'.
Unsere Kirchgemeinde zählt ein Vielfaches an Mitgliedern als selbst am Normalheiligabend in die Kirche kommen. Die Illusion, die Gemeinde sei die am Sonntag Anwesenden - oder die Summe derer, die im Lauf des Jahres irgendwo auftauchen -, lässt sich bei 15 Personen endgültig nicht mehr halten. Vielleicht ist das im Kern der Schmerz, der nun aufbricht. Und wenn er dazu befreit, dass wir nach neuen Wegen suchen, wie wir als weite Gemeinde nahe Verbundenheit und Solidarität pflegen können, dann kann auch er was Gutes haben und bewirken, was vielleicht schon lange fällig gewesen wäre.
Als Team beschäftigt uns seit Wochen, wie wir zu ,unseren Menschen' Kontakt pflegen können. Dazu kommt für mich nun dringend die Frage, wie unser unsichtbares Verbundensein in dieser Zeit tröstlich sichtbar werden könnte. Ideen werden gerne entgegengenommen.
Philipp Roth
philipp.roth@erk-bs.ch
Kirchgemeinde Kleinbasel
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