Die Kinderfrage im digitalen SonntagsCafé sass. Meine Antwortmaschine sprang an. Doch je mehr sie ausspuckte, desto misstrauischer wurde ich den schnellen Antworten gegenüber. Und kam auf Varianten, die auf die (westlichen, kirchlichen Erwachsenen) ein weniger gutes Licht werfen. Möchte ich es wirklich wissen, warum wir so Angst haben? Ist das, was wir haben, wirklich Angst?
Ein Katalog möglicher Antworten auf die Kinderfrage ,Warum habt ihr nur so Angst?':
1. Weil wir allen Grund dazu haben. Man kann an Covid-19 sterben. Man kann daran schrecklich sterben. Wir haben Bilder und kennen Geschichten. Die Angst ist eine vor dem Tod. (Haben wir die auch sonst?)
2. Weil wir verantwortungsvoll sind. Wir sind ansteckend. Und ansteckbar. Wir können das Virus kriegen und weitergeben. Damit hat unser Leben mehr mit dem von anderen zu tun, als wir denken. Unsere Angst ist der Respekt vor dem Leben, gerade auch dem der anderen. Und der Wille, uns verantwortungsvoll zu verhalten.
3. Weil es uns gesagt wird. ,Die Situation ist ernst,' wird uns gesagt. ,Das hat es noch nie gegeben,' wird uns gesagt. Und es geschieht auch, was uns gesagt wird. Keine Schule. Kein Sportclub. Kein Supermarkt. Keine Reisen. HomeOffice. Unsere Angst ist unsere Einsicht in den Ernst der Lage und in die Notwendigkeit der Massnahmen. Gehorsam.
4. Weil sich soviel so schnell ändert, und was lange selbstverständlich war, plötzlich völlig ungewiss ist: Schulabschluss, Arbeitsstelle, Kinderbetreuung, Wirtschaftslage, Finanzvorsorge, Ferienpläne... Unsere Angst ist Kontrollverlust.
5. Weil von nichts anderem mehr die Rede ist. Man kann schauen und einschalten, wo und was man will: Immer kriegt man ,die Krise'. Was bei Smalltalk vor dem Haus früher ,das Wetter' war, ist nun das Virus. Die Angst ist der Soundtrack dieser Woche. Man hat sie, weil sie allgegenwärtig ist. Man müsste schon anderes dagegen stellen...
6. Weil die Angst uns erlaubt, uns vollständig dem hinzugeben, was wir schon immer gerne machten, aber nicht durften, weil es anderen zu offensichtlich noch viel schlechter ging: Der Sorge um uns selbst. Menschen sind selbstverliebt. Die Wirtschaft hat uns in den letzten Generationen zu Konsument*innen geformt, die pausenlos um die eigenen Wünsche und Bedürfnisse kreisen. Der Mensch mit der Chipstüte auf dem Sofa vor der Glotze - unterbrochen einzig durch den Gang zum Kühlschrank, auf die Toilette oder ins Netz, um eine neue Bestellung aufzugeben - geistert er nicht schon lange als Modell durch unsere Werbung? Plötzlich ist zuhause bleiben und andere meiden eine gute Tat. Kein schlechtes Gewissen mehr, wenn wir uns selbst genug sind. Cool!
7. Weil wir nun hemmunglos dürfen, was wir sonst verstecken müssen: Verletzlich sein, vorsichtig, unsicher, distanziert. Endlich ist positiv, was vorher immer noch mit einem Makel behaftet war.
8. Weil Angst immer schon das Normalste der Welt war. Grundlegender, einfacher und energiesparender als zB Mut oder Begeisterung oder Veränderungswille.
9. (Ergänzung Sabine Wirz nach Gespräch mit ihren Kindern:) Weil die Menschen, die Angst haben, ihren Schutzengel nicht anschauen (nicht bemerken, vergessen haben...). Der Schutzengel ist immer da, ganz nah steht er hinter mir. IMMER bereit mir (...in der Veränderung...) beizustehen. Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf Dankbarkeit, Wertschätzung, Freude, Freiheit und Liebe richte, freut sich mein Schutzengel, er strahlt, er wird gross. Konzentriere ich mich auf alte Schuldgefühle, Wut, Frust, Groll, Neid, Furcht, Leiden, Mangelgefühle, Ohnmacht, Scham, Leiden...wird er traurig, klein, eher grau - ABER er bleibt immer da.
10. Weil...
Ein Katalog möglicher Antworten. Er lässt sich erweitern. Und man kann sich was raussuchen. Und es sich dabei einfacher oder schwerer machen. Sicher bin ich mir, dass die einfachste Antwort nicht die abschliessende ist. In der Frage steckt mehr als uns lieb ist.
Man sagt, dass Kinder eine eigene Weisheit haben. Und dass man Angst riechen kann.
Was kommt von uns Erwachsenen rüber in dieser Zeit? Sogar in der Kirche?
,Warum habt ihr nur so wenig Vertrauen?!' tadelt Jesus oft seine Jünger. Meist finde ich das herzlos. Man kann sich nicht selbst ins Vertrauen pushen. Es muss wachsen. Und doch glaube ich fest daran, dass wir allen Grund zur Freude, zu Mut und Herzensfreiheit haben. Das müsste man eigentlich riechen können. Wie den Frühling.
Philipp Roth
E-Church:
Der Wochentakt - heute Di, 18, Taizé-Gebet ¦ Mi, 17:30, THEODORli ¦ Do, 18:30, Kirchenfenster - gilt auch diese Woche.
Und am kommenden Sonntag, 3. Mai, 10:00, feiern wir einen Gottesdienst für GROSS & klein ,Guet treit' aus der Theodorskirche.
Sämtliche bisherigen Gottesdienste, THEODORli, Taizé-Gebete, Kirchnefenster etc. finden sich auf unserem Youtube-Kanal der Kirchgemeinde Kleinbasel.
-> Die Gottesdienste können auch beim Sekretariat auf USB bezogen und auf dem TV geschaut werden. Ein Angebot für alle, die nicht Online sind: Senior*innen, Nachbarn, Eltern... Bitte mithelfen! 061 681 37 88 / eveline.michel@erk-bs.ch
Einander im Ohr: Mit unserer Playlist kann man hören, was andere dieser Tage hören. Und es hat noch Platz für weitere Stücke der Stunde. Durchgeben an philipp.roth@erk-bs.ch
Alle Infos, Kontaktdaten und Angebote der Kirchgemeinde immer aktuell hier.
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