Aber obwohl es
viele Teile sind, ist es doch ein einziger Leib. 1. Korinther 12, 12
Ich bin weder ein
guter Jogger noch Tänzer, Wellnesser noch Afroamerikaner, Gourmet noch
Tatooist. Wohl eher gelte ich für manche als der typische Schweizer,
Bildungsbürger oder vielleicht auch Protestant, der zu seinem Körper ein
Verhältnis irgendwo im Bermudadreieck zwischen gedämmt, gehemmt und verklemmt hat.
Umsomehr erstaunt mich mich, wie sehr ich das ,social distancing‘ körperlich
empfinde. Es fehlt mir das Hände Reichen, Umarmen, Schulterklopfen, Küssen. Allein
schon die Wärme, die der Mensch in der Nähe abgibt. Ich spüre, wie ich die
formalen Berührungen und die spontanen Ausdrucksmöglichkeiten vermisse. Und wie
körperlich sie sind. Wie ganz und gar körperlich. Begegnung engagiert und
bewegt mich ganzheitlich. Das Wegstreichen des Physischen fühlt sich wie ein
Frösteln an. Die Haut verwaist. Und die Haut ist das grösste menschliche Organ…
Gespräche mit
Menschen lange nach einer Scheidung oder auch nach einem Verlust eines Partners
durch Tod oder Krankheit gehen mir durch den Kopf. Wie es ihnen fehlt, in die
Arme genommen zu werden. Sich an einer Schulter auszuruhen. Geküsst und
gestreichelt zu werden. Die Wärme eine Armlänge nebenan im Bett zu spüren und
die Hand auszustrecken und in einer Berührung klar gemacht zu kriegen: Ich bin
nicht allein.
In der Bibel ist
viel vom ,Leib‘ die Rede. Körperfremdelnd wie die Reformierten sind, versteht
man diesen meist ,symbolisch‘. Als ich die Theodorskirche gestern zwei Stunden offenhalte
– als Raum der persönlichen Einkehr und des Gebets – gehe ich zum
Abendmahlstisch und schlage dort die Bibel bei 1. Korinther 12 auf. ,Dies ist
mein Leib‘ sage ich jeweils bei der Einsetzung des Abendmahls und schaue auf
die anwesende Gemeinde, körperlich anwesend. Im Brief nach Korinth denkt Paulus
den menschlichen Körper zum Gemeinschaftskörper, zum sozialen Organismus,
weiter - und diesen zum Leib Christi. Wie bei einer Marionette nimmt er die
einzelnen Glieder für sich wahr und bindet sie dann umso stärke wieder ins grosse
Ganze zurück. Um am Schluss zu sagen: ,Ihr seid der Leib von Christus! Jeder Einzelne
von euch ist ein Teil davon.‘ (Vers 27)
Corona mach mir bewusster
denn je, wie sehr ich Körper bin. Und macht uns als menschliche Gemeinschaft deutlicher denn je,
wie sehr wir ein Gemeinschaftköper sind, weltweit. Und verkörpert uns schliesslich in dem Mann aus Nazareth. Er ist der Leidende, Mit-Leidende. Und er ist auch der Überwindende und Auferstehende. Ein Leib.
Körperlicher geht nicht. Tröstlicher auch nicht.
Ich schaue hoch zum Fenster im Chor. Eine alte Scheibe – eine der ältesten in Basel! - zeigt da den Schmerzensmann: Christus fast nackt, als Krankheits- und Leidensträger. Im Mittelalter haben Menschen davor meditiert. Und ich sehe einen Moment die Gemeinde vor mir, die sich zum Abendmahl in eine Kreis um den Tisch stellt – Körper an Körper, Gemeinschaftskörper, Sozialorganismus. ,Dies ist mein Leib.‘ Ich bin sehr dankbar dafür. Und vermisse ihn.
Bhüet Euch Gott und
seid/bleibt verbunden!
Philipp Roth
PS: Unsere Kirchen
stehen (noch?) als Räume der Einkehr und des Gebets zur Verfügung. Wir öffnen
sie täglich. Öffnungzeiten und alle weiteren Infos und Angebote (Kontakte,
Streaming, …) finden sich immer aktuell unter www.erk-bs.ch/kg/kleinbasel/corona_information
.
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